Amazon wegen Benachteiligung von Marketplace-Drittanbietern zu Millionenstrafe verurteilt
Das Handelsgericht Paris hat Amazon mit Urteil vom 2. September 2019 (Az. 2017/050625) auf Antrag des französischen Wirtschafts- und Finanzministers zur Unterlassung der Verwendung bestimmter Vertragsklauseln und zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 4 Mio. € verurteilt.
In dem Verfahren ging es um die Geschäftsbeziehungen zwischen den Gesellschaften des Amazon-Konzerns und den Drittanbietern, die ihre Waren über die Online-Plattform Amazon.fr anbieten. Auch in Frankreich ist Amazon der wichtigste elektronische Marktplatz. Das Unternehmen erwirtschaftet dort einen jährlichen Umsatz von fünf Milliarden Euro und verfügt über 170.000 französische und ausländische Drittanbieter.
Der Wirtschaftsminister hatte gegen Amazon auf der Grundlage des Artikels L.442-6, I, 2° des französischen Handelsgesetzbuchs (nunmehr Artikel L.442-1, 2°) Klage erhoben, der marktstarken Unternehmen die Verwendung von Vertragsklauseln untersagt, die zu einem signifikanten Ungleichgewicht der Rechte und Pflichten der Vertragspartner führen.
In seinem Urteil hat das Gericht die folgenden sieben Klauseln, die sich in den Verträgen mit den Drittanbietern fanden, für unzulässig erklärt:
- Klausel, mit welcher Amazon sich das Recht vorbehält, den Vertrag jederzeit nach Gutdünken zu ändern, wobei die einseitig vorgenommenen Änderungen ohne Benachrichtigung des Drittanbieters sofort wirksam werden sollten.
- Klausel, die es Amazon gestattet, nach eigenem Ermessen die Lieferung von Produkten oder Dienstleistungen des Drittanbieters ohne Vorankündigung einzustellen und den Vertrag fristlos, ohne Angabe von Gründen zu kündigen.
- Klauseln die sich auf bestimmte Leistungskriterien beziehen (z.B. Anteil mangelhafter Lieferungen, Anteil stornierter Aufträge vor Auslieferung und Anteil verspäteter Lieferungen). Zwar hält das Gericht die Verwendung solcher Kriterien grundsätzlich für zulässig, jedoch war die Umsetzung im vorliegenden Fall rechtswidrig: Zum einen machte Amazon hinsichtlich der Kriterien widersprüchliche Angaben, so dass sie für die Drittanbieter unklar waren. Zudem wurde die „Leistung“ der Drittanbieter zum Teil auf der Grundlage von Umständen berechnet, auf welche sie keinen Einfluss haben (z.B. unberechtigte Reklamationen, Widerruf). Weiter behielt sich Amazon vor, die Leistungskriterien jederzeit ohne Vorankündigung zu verändern. Schließlich befand das Gericht auch die Rechtsfolgen des Nichterreichens der Leistungskriterien für willkürlich und für den Drittanbieter nicht durchschaubar.
- Klausel, wonach Amazon einseitig und ohne Angabe von Gründen dem Drittanbieter den Zugang zur Plattform versagen oder seine Angebote aussetzen oder ablehnen kann.
- Klausel, wonach Amazon berechtigt ist, dem Kunden den Kaufpreis auch dann zurückzuerstatten, wenn dieser das Produkt nicht zurückschickt oder sich seine Reklamation nachträglich als nicht gerechtfertigt herausstellt.
- Klausel, wonach der Drittanbieter verpflichtet ist, auf der Amazon-Plattform im Hinblick auf Preise, Kundendienst und Kundeninformationen mindestens gleichwertige Konditionen anzubieten, wie auf anderen Vertriebskanälen.
- Klauseln, mit welchen sich Amazon im Rahmen seiner Versanddienstleistung von jeglicher Haftung für Beschädigungen der Ware im Falle von Lieferungen in das Ausland und bei der Lagerung der Ware freizeichnet.
Das Gericht stellte außerdem fest, dass diese Klauseln den Drittanbietern aufgrund der Marktmacht von Amazon ohne Möglichkeit zur Verhandlung aufgenötigt worden sind. Es verurteilte Amazon zum Verzicht bzw. zur Anpassung der betroffenen Klauseln und verhängte ein Bußgeld in Höhe von 4 Million Euro. Dies ist das höchste Bußgeld, das in einem solchen Fall in Frankreich bisher verhängt wurde. Mit dem Betrag blieb das Gericht allerdings noch deutlich unter dem Antrag des Wirtschaftsministers, der ein Bußgeld in Höhe von 9,5 Millionen Euro gefordert hatte.
Es ist davon auszugehen, dass Amazon gegen das Urteil Berufung einlegen wird.
Das Urteil hat auch Bedeutung für Drittanbieter mit Sitz außerhalb von Frankreich, da auch deren Waren und Dienstleistungen über die Webseite „Amazon.fr“ vertrieben werden. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, so ist es außerdem gut möglich, dass Amazon seine Drittanbieterverträge nicht nur für Frankreich, sondern europaweit anpassen wird.
12.09.2019